HIER geht's um... Cor*na, neue Bücher und Spätkapitalismus. Ach ja, ein bißchen Makeup ist auch noch dabei in diesem Chaos-Video! Enjoy!
In der letzten Woche tauchten in meinem google Newsfeed nicht bloß Nachrichten zu Corona-na-na-na, Impfen und Gendern auf (google beobachtet mich und weiß, was ich lesen will.. NICHT!), sondern zur Abwechslung auch mal was anderes, namentlich eine Überschrift, die mich sofort anzog, kaum daß sie auf meinem Handy aufploppte...
Influencer-Kultur»Die reinste Volksverblödung«
"Wie, jetzt kommt schon wieder was zu Influencern?? Ach nöö......."
Oh doch, sage ich! Ich habe den Eindruck, daß es zwar viele Menschen gibt, die keinen direkten Kontakt mit dem Thema haben und deshalb denken, dass das ganze Influencer-Dings nichts mit ihnen zu tun hätte.. aber das hat es. Und ich weiß endlich, wie ich das gut darlegen kann.
Allein das neudeutsche Wort 'Influencer' hat nicht umsonst eine so große lautliche Ähnlichkeit zur infektiösen und sich leicht verbreitenden Influenza, haben sich diese neuen Werktätigen doch in der letzten Dekade von nicht existent zu einem riesigen Wirtschaftsfaktor hochgearbeitet. Als ich anfing zu bloggen (anno 2013), waren die 'neuen Medien' noch neu und jeder, der (selbständig) was im Internet machte, musste sich deswegen bei Nachfragen noch schamhaft wegducken (ich gebe übrigens bis heute niemandem meine Webpräsenzen preis, der nicht von selbst drauf stößt!). 'Verlacht und nicht ernstzunehmend' waren wahrscheinlich die treffendsten Beschreibungen für die Sparte der Blogger, YouTuber und Instagramer, die sich damals im Heimstudio vor der Linse ihres Smartphones für ein überschaubares Publikum produzierten. Doch seitdem hat sich einiges getan.. nur die Draufsicht auf das Thema eben von der Außenansicht, also derer, die sich nicht INNERHALB dieser bubble befinden, hat sich kaum geändert - und das ist meiner Meinung nach gefährlich, zumindest aber fahrlässig. Denn verlachen kann ja jeder alles und jeden, aber ernst nehmen sollte man jedes neue Phänomen, vor allem, wenn es einfach nicht mehr weg geht, auch. Mittlerweile SIND die Influencer fast schon die neuen Medien, zumindest für ihre Zielgruppen, für die sind dann innerhalb und aus den neuen Medien und ihren Plattformen heraus selbst Medieninhalte erschaffen. Und das ist etwas, was eine viel größere Strahlkraft hat, auch über die jeweilige Social Media-Blase hinaus.
Ich muss sagen, dass ich immer ein gewisses Unbehagen empfunden habe angesichts dieser ganzen Maschinerie, die ich in den letzten Jahren beobachtet habe und zu der ich ja nie wirklich gehört habe - aber ich war immer ganz nah an ihr dran.
Und seitdem ich vorgestern ein Interview zu genau diesem Thema gelesen habe, kann ich auch endlich sagen, warum das mit mir und dem ganzen Influencer-Dings nichts wurde und auch nie mehr was werden wird.... und was eigentlich genau dieses Unbehagen war, das mich immer umfangen hat. Das haben die Autoren nämlich echt gut eingefangen.
Die Wirtschaftspodcaster Wolfgang M. Schmitt und Ole Nymoen haben ein Buch über Influencer geschrieben. Hier erklären sie, warum der kalte Konsumkapitalismus der Instagram-Idole gefährlich ist.
Hypothese der Autoren ist, dass wir heute bei Werbung nicht mehr wegschalten, sondern sie uns sogar als Hauptsendung ansehen. Weil das, was Influencer uns anbieten, ja meist nichts anderes als eine Dauerwerbesendung ist. Und schalten die meisten bei Beginn des Werbeblocks im lineraen Fernsehen z.B ab oder auf stumm, so schalten wir für diese Werbung sogar absichtlich ein! Wer mit YouTube (wie ich) quasi mitgewachsen ist, der wird sich jetzt bestimmt ertappt fühlen.. aber auch wenn die ganzen dm-hauls, Einrichtungs-Inspo-Videos und 'first impression makeup videos' sehr unterhaltsam sind und mittlerweile zu meinem Alltag gehören und auch ganz selbstverständlich mit zu den Medien, aus denen ich auswähle, wenn ich mich unterhalten lassen möchte, so sind sie doch bei genauerer Betrachtung nichts anderes als reine Werbung. Von vorne bis hinten. Und ich weiß das doch - ich, die immer Wert darauf legte, in eigenen digitalen Erzeugnissen wie Blogposts stets eine Geschichte zu erzählen und nicht ein stumpfes "Produktbesprechungs-Artillerie-Feuerwerk" abzuhalten... aber so RICHTIG bewußt mache ich mir das natürlich nicht mehr, jedesmal, wenn ich etwas auf YouTube oder Instagram anklicke. Ich habe mich schlicht daran gewöhnt und es als eine neue Form der Medienlandschaft akzeptiert, dabei würde es mir aber nie in den Sinn kommen, z.B. im Fernsehen den Shopping-Kanal einzuschalten!
Den klassischen Blogger möchte ich übrigens von dieser Pauschal-Kritik ausnehmen und zwar aus einem einzigen Grund: er ist ausgestorben. Und das ist der beste Beweis dafür, dass er eben nicht eine reine Werbesendung war, genau wie das ganze Blog-Gewerbe, insbesondere auch das Beautyblog-Genre (was ja auf Insta & Co nach wie vor noch groß dabei ist)... denn in seinem ursprünglichen HabitatFormat, dem Blog, ist diese Spezies ja untergegangen.
Der große Unterschied zwischen dem heutigen Instagram-Lifestyle/Beauty/Fashion-Influencer (der vorherrschenden Art) und seinem Vorfahren, dem Blogger, lag darin, daß es beim Beautybloggen tatsächlich noch hauptsächlich um Inhalte ging - selbst bei einem solch oberflächlichen Thema. Es wurde nämlich auf Beautyblogs nicht nur stumpf etwas zum Verkauf angepriesen, nein, es wurde (ob nun ausführlicher oder weniger ausführlich) immer auch etwas besprochen und nicht einfach nur verhökert.
Und ich hatte schon immer daß Problem, daß ich von Anfang an nur Inhalte verkaufen wollte: ich wollte niemals nur als Litfaßsäule oder als Werbeplattform herhalten, weil.... ganz ehrlich, das ist so einfach, das kann doch jeder! Was hochhalten und sagen: "Schau mal, wenn ich das noch neben meinen halbnackten Busen halte, sieht es noch viel mehr sexy aus und Du willst das jetzt kaufen, oder? Das ist doch alles so attraktiv!"
Ich wollte, wenn überhaupt, dann nur für meine Ideen, für meine Artikel, für meine Konzepte und für die Ergebnisse einer Analyse und meiner Gedankengänge bezahlt werden - aber nicht dafür, dass ich etwas anderes verkaufe, was mit mir aber gar nichts zu tun hat und ich dabei nur als eine Art Vehikel fungiere und bei dem ich somit dann auch inhaltlich gar nicht vorkomme.
Und dieser Ansatz hat sich eben nicht gut verkauft: es hat sich nicht rentiert! Denn wenn Beauty-Blogs, die ja wirklich nur eine sehr begrenzte Zeit lang überhaupt existiert haben, aus der gleichen Sparte sind wie z.B. die Angebote in einer Frauenzeitschrift und deren Inhalte nicht nur besser und detaillierter, sondern zudem auch noch gratis anboten, also ohne jede Gegenleistung, dann hat sich das nicht gerechnet. Es hat sich für die Beauty-Industrie als potenziellem Auftraggeber nicht gerechnet, weil Aufwand und Nutzen in keinem Verhältnis standen. Es hat immer nur einer davon profitiert und das waren die Blog-Leser, die keine Zeitschriften mehr kaufen mußten und denen das gratis zur Verfügung gestellt wurde. Wenn aber in einem Geschäft immer nur einer profitiert, dann muss es zugrunde gehen, weil die andere Seite dann zwingend pleite gehen wird. Deswegen hat sich die ganze Bloggosphäre der alten Schule aufgelöst. Die redaktionellen und auch wirklich guten Inhalte, die Beauty-Blogger bereitgestellt haben und die eben nicht primär Werbeveranstaltung waren, die haben sich nicht gerechnet. Diejenigen, die das erstellt und die diese Inhalte uns allen zur Verfügung gestellt haben, die sind entweder in klassische Ausbildungsberufe zurückgekehrt oder haben jetzt einen anderen Broterwerb... und ich denke nicht, dass viele davon tatsächlich zum Influencer-Marketing der heutigen Art auf Instagram und Co. über gewechselt sind. Denn das wäre so ein Abstieg: von der wirklichen Analysefähigkeit zu "ich zeig dir mal meinen Fittea!"... ich glaube nicht, dass das viele übers Herz gebracht hätten, ohne sich dabei veralbert oder unterfordert gefühlt zu haben.
Und deswegen sind wir heute hier: wir sind von harmlosen Beautyblogs über YouTube zu Instagram und Tiktok gekommen. Und da sind wir nun gelandet und bei dem was die Autoren besprechen: dem Bodensatz der digitalen Geschäftemacherei...
in dem Leute sich eben für ein Instagram-Posting schwanger in der Badewanne fotografieren, um Werbung für Badesalz zu machen oder ein iPhone in den Mixer stecken und Firmen dennoch immer mehr Werbebudget in Influencer stecken. Das ist ja mittlerweile bekannt und wird auch viel belächelt, besonders von denen, die sich ganz weit weg davon wähnen.. Im Buch, was treffend »Influencer – Die Ideologie der Werbekörper« heißt, wird das aber nicht nur ausgewalzt, sondern sich auch der einflussreichen Rolle der jungen und erfolgreichen Social-Media-Persönlichkeiten gewidmet.
Denn ich bin, mal ganz abgesehen von der Konsumkritik des "Spätkapitalismus", auf diesen Artikel gestoßen, weil in meinem Google News-Feed das Interview mit den beiden Autoren über den provokativen Titel "die totale Volksverblödung" angeteasert wurde. Und das sind eben genau die Aspekte, die mich an dem Thema besonders interessieren und auch erschrecken.
Früher hatten Menschen auch Idole, die sie sich in bestimmten Bereichen zum Vorbild genommen haben wie z.B. Musiker. Aber es gab nie jemanden - außer man hatte einen persönlichen Guru -, der einen derart an die Hand nahm und Anleitung + affiliate links fürs ganze Leben lieferte und den Alltag so mit durchstrukturierte, wie es die Influencer heute tun und in ihn eindringen.
Und ja, ich weiß: nicht alle machen das bösartig. Ich würde sogar sagen: böse Absicht steht da bei niemandem dahinter. Es sind viel mehr egoistische Gewinnabsichten und mangelndes Verantwortungsgefühl, Stichwort: Berufsethos. Und DER dürfte sich ja bei einer Sparte, die sich selbst als 'Beinflusser' bezeichnet, auf moralisch sehr hohem Niveau befinden.. leider definiert sich die Tätigkeit aber eher über die Geschäftspraktiken windiger Verkäufer; denn sie beeinflussen nicht im philosophischen Sinne, sondern stiften nur zum Kaufen an.
Und das machen sich die meisten von ihnen wohl selbst nicht so klar; ich denke sogar - aus reiner Beobachtung - daß der klassische Influencer von heute da zuerst so reingerutscht ist und dann, wenn der Laden erstmal läuft, sein Wirken und Handeln nicht groß hinterfragt. Und es liegt wohl auch in der Natur des Menschen, die eigene Tätigkeit nicht gern derart genau zu definieren, wenn das Ausbuchstabieren des eigenen Tuns nur auf 'ÜBERS OHR HAUEN' herauskommt.
Ja, Selbstreflektion täte hier not: diese Fähigkeit wäre besonders für diese Selbständigen, die meist reine ICH-AG's sind und niemanden als sich selbst haben für die Fragen nach "kann ich das machen (Angebot)" und "will ich das auch machen (passt das zu mir)" absolut notwendig. Dann würde auch die vielleicht wichtigste Frage, nämlich die nach "...und sollte ich das auch machen? (Moral)" ab und zu mal abschlägig beantwortet.
Ich habe aber in den letzten Jahren in der Szene nur immer wieder beobachtet, daß den meisten Akteuren, also Influencern, diese Fähigkeit zur Selbstreflektion total abgeht... zumindest bei denen, die ich über einen längeren Zeitraum verfolgt habe.
Das fängt bei kleinen Dingen an, wie z.B. einer erstaunlichen Beratungsresistenz in Umbruchsituationen und auch Taubheit gegenüber den Wünschen der ja eigentlich so wichtigen Fanbase. Sozial ist an den sozialen Netzwerken nämlich nichts: es gilt nicht, den Zuschauer zu beeindrucken, sondern den potentiellen Auftraggeber. Und für den zählt nicht, wieviele treue Kunden du hast, sondern nur, wieviele neue du generieren kannst mithilfe von immer neuen Formaten, nachdem du die alten verprellt hast. Denn es zählt nur die Klickzahl, nicht wer da klickt. Wenn es nicht du bist, weil dich dein altes Vorbild enttäuscht hat, dann geh zur Seite, es steht schon ein neuer, höriger Anhänger in den Startlöchern und dir wird keine Träne nachgeweint in den asozialen Netzwerken. Du als Person interessierst deinen persönlichen Influencer nicht: es mag so aussehen, als seid ihr Freunde, wenn du auf den Button zum 'Abonnieren' klickst, dabei bleibt diese Beziehung aber immer einseitig und es gibt nur einen, der mehr als Kalkül darin investiert, nämlich dich. Der anderen Seite geht es nie um den Follower als Individuum, auch wenn die persönliche Ansprache das suggerieren vermag: im Endeffekt geht es immer nur um dein Potenzial als Kunde, um deine Kaufkraft, um dein Geld. Und das kann gern auch von jemand anderem kommen, was auch klappt, denn noch wachsen immer mehr neue und unbedarfte Follower nach.
Und das wird wohl auch so bleiben, denn:
Der Konsum von Social Media macht nicht klüger, sondern eher dümmer, einzig und allein schon aus dem Grund, weil halt jeder Hinz und Kunz dort seinen Mist ausbreiten darf, der nur einem Anspruch genügen muss: der 'clickabilty'.
Schon seit meinen ersten Ausflügen in die neuen Medien hat mich immer das Gefühl beschlichen, dass die Social Media Blase sich zunehmend auf Nichtwissen fokussiert. Bildungsanspruch ist dort nicht (mehr) wichtig und Sitten verrohen. Denn ja:
Das passiert nun mal eben auch über Medienkonsum und Bildungsangebote und ob diese eben in den Medien stattfinden oder genau das Gegenteil davon. Und da kommen wir zu dem zweiten Punkt: heute darf jeder Medienschaffender sein. Es gibt keine Hoheit mehr darüber, wer Informationen verbreiten darf. Und je mehr Quatsch gezeigt wird und frei zugänglich ist, desto mehr verblödet der Zuschauer dabei. Denn das, was wir oft sehen, das beeinflusst uns. Die Bezeichnung Influencer trifft hier also sehr wohl zu.
Es mangelt an Charakterfestigkeit, denke ich, an der bereits genannten Selbstreflektionsfähigkeit und auch an Weitsicht. Das liegt vielleicht auch einfach am Alter, denn wie ist denn das Durchschnittsalter der sendungsbewußten Influencer? Und was ist ihr Bildungsgrad oder ihre Ausbildung?
Deswegen war es vielleicht gar nicht so schlecht, dass früher in den klassischen Medien eher die Alten und somit potentiell auch Lebensweisen was zu sagen hatten und es - wie in jedem Beruf, denke ich - hauptsächlich um Erfahrung ging. Das eben die Älteren (und hoffentlich Weiseren) Chefredakteur und Entscheider wurden und nicht die Blutjungen, das halte ich besonders in Berufen mit Sendungsbewußtsein für sehr wichtig.
ZDF Magazin Royale: Sie haben doch keine Ahnung!Ministerpräsident des Internets: Wozu Ahnung, wenn man Follower haben kann?ZDF: Das ist kein Journalismus!Internet: Habe ich nie behauptet.⁴
Und auch wenn ein Großteil der heutigen Influencer älter sind als die Generation TikTok selbst, für die sie 'digital content' produzieren, so lesen sich ihre Ergüsse doch oft nicht deutlich gehaltvoller als die Tagebucheinträge dieser Generation.
Es gibt eben doch einen Grund dafür, warum nicht jeder von sich aus zum Medienschaffenden geboren ist, warum Journalist und Werbetexter Ausbildungsberufe sind und Vorwissen erfordern, um gut ausgefüllt zu werden. Nicht alles kann in Eigenregie erlernt werden. Und manche Presse-Erzeugnisse werden besser im Team erarbeitet als von einem allein daheim.
Und so ist dieses neue Genre der 'digital content creation', was noch kein Ausbildungsberuf ist und auch keinerlei eigenem Berufs-Kodex unterliegt, irgendwie von außen genauso schwer fassbar wie es von innen undurchsichtig ist: journalistische und werbende Inhalte verschwimmen, die Grenzen dazwischen verwischen und am Ende kann eines vom anderen gar nicht mehr unterschieden werden.. eines ist für mich in den 'do ZEITUNG/ FERNSEHEN/WERBUNG yourself!'-Beiträgen aber immer ganz klar: die mindere Qualität. Und eben auch eine große Unbedarftheit, diese Zusammenhänge nicht zu durchschauen und schon gar nicht, diesen Mangel an Vorwissen beheben zu wollen.
Denn wie entgegnet ein fiktiver Follower des Ministerpräsidenten des Internets El Hotzo so schön in der Spielszene des ZDF Magazin Royale auf den Anwurf des Moderators: "(...) Sie haben doch keine Ahnung!" mit dem empörten Ausspruch: "Woher soll er das denn alles wissen?"
Indem er sich vorher informiert. Was aber unterlassen wird.. denn die meisten Influencer haben von Tuten und Blasen keine Ahnung - nicht mal in ihrem eigenen Tätigkeitsbereich. Sie informieren sich aber auch nicht vorher, um diese Informationslücke zu schließen, nein: die halbgaren Inhalte kann man ja auch einfach so verbreiten. Dadurch werden ihre Follower aber eher noch uninformierter, weil ebenso niemals die Aufforderung zu 'informiert euch auch selbst' kommt, sondern nur zu 'folgt mir und kauft!'.
Mein Eindruck ist, daß der Grund dafür oft in der Uninformiertheit der Medienschaffenden selbst liegt: denn ja, sich zuerst zu bilden (z.B. durch eine Ausbildung) ist anstrengend, da Bildung nun mal so heißt, weil sie sich "erst bildet". Und das ist ein Prozess, der dann das ganze Leben lang weiter betrieben werden muss. Allein Informationsverbreitung ohne eigentliche Informationsweitergabe ist weitestgehend schmerzlos für den Sender, da es einfach ist und fast ohne Eigenanstrengung vonstatten geht, eine Menge Meinung ohne viel Ahnung von sich zu geben.
Aber gerade dann, wenn sich der Influencer also hauptsächlich auf dem Feld der 'Meinungsmache' bewegt und sich nicht auf das sichere Feld der 'unbestreitbaren' (bzw. zumindest ordentlich recherchierten und belegbaren) Fakten beschränkt, ist das eigene Verantwortungsgefühl umso wichtiger. Wie mußte schon Spiderman von sich geben? "Große Macht führt zu großer Verantwortung!" - und ein jeder, der sich öffentlich äußert, müsste sich über seine potentielle Vorbildfunktion bewusst sein, nicht nur dann, wenn seine Aussagen hauptsächlich aus Meinung und wenig aus Ahnung bestehen; aber dann doch umso mehr!
Diesen Anspruch an sich selbst finde ich aber nirgends im Influencer-Gewerbe, obwohl doch genau dieser eigentlich im Namen der Berufsbezeichnung schon impliziert ist.. zumindest für mich.
Aber anscheinend nicht für die Beeinflusser an sich: nicht mal in ihrem ureigensten Tätigkeitsbereich versuchen sie es "mit Anspruch" - aber das ist wohl auch gar nicht nötig. Es verkauft sich alles auch so, fast von ganz allein.
Das beste Beispiel dafür ist die oft unterirdische Qualität der Werbung, mit welcher der Zuschauer auf Instagram und Co zugeballert wird. Gerade weil Werbung oft so missliebig betrachtet wird ist es wichtig, sie gut zu gestalten, um mit ihr zu überzeugen. Doch davon sind die Protagonisten im Influencermarketing oft weit entfernt. Denn es ist gar nicht wichtig, WAS sie da sagen, um das beliebige Produkt zu bewerben; wichtig ist nur, DASS sie etwas darüber sagen, um das Ganze zu einem Verkaufsschlager zu machen.. es geht bei dieser Vermarktungsstrategie nämlich gar nicht um Fähigkeiten, es geht ums Sein. Es geht nicht um berufliches Wirken, es geht um (vorgemachtes) privates Leben. Der Personenkult verkauft das Gut, nicht guten Argumente für und auch nicht die Produkteigenschaften des Guts an sich. Es ist wie die Weiterentwicklung der Strategie, mit der Zugkraft eines großen Stars kleine Produkte zu verkaufen; und die Influencer sind darin die Popstars für Arme, in dem für jeden einzelnen Kunden sein persönliches Sternchen bereitgehalten wird, das eine perfekte Balance aus Anbetungspotential und Identifikationsfigur bietet. Deswegen muss sich die Schwemme an generischen Stars auch diesen Vibe des Glamourösen und Unerreichbaren geben, sich das Attraktive und Perfekte künstlich draufschaffen und vorgeben, anbetungswürdig zu sein, ohne dabei aber etwas getan oder erschaffen zu haben, was wirklich anbetungswürdig wäre. Gleichzeitig ist diese Luftnummer, nur so zu tun also ob sogar hilfreich, denn im Kern sind die neuen Royals ja auch gar nicht anders als ihre Untertanen, sie sollen nur besser beim alltäglichen Leben aussehen, dabei aber noch nahbar genug sein, damit ihnen ihre Fanbase auch noch was abkaufen und sie nicht nur für ihren abgehobenen Lifestyle verteufeln will.
Und auf genau diesem Weg kommen wir in ihre Leben, ihre Häuser, ihre Familien.. so wird aus einem Influencer ein reiner Werbekörper, den sie einsetzen um die Kampagne zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Und das ist absolut wörtlich zu verstehen: klassische Werbestars gaben ihr Gesicht für etwas her oder 'warben mit ihrem guten Namen'. Der Influencer aber ist nicht nur Werbegesicht, sondern arbeitet mit vollem Körpereinsatz, setzt sein ganzes Selbst ein. Das eigene Leben #bloggerlife, das eigene Zuhause #inspohome, die eigene Beziehung #couplegoals. Und das kam für mich nie in Frage.
Deswegen habe ich keine Rabattcodes für euch, sondern immer nur Infos
- • Abrechnung mit Influencern: »Die reinste Volksverblödung«. Ein Interview von Laura Ewert auf (abgerufen am 28.03.2021)
- • Influencer: Die Ideologie der Werbekörper (edition suhrkamp) von Ole Nymoen (Autor), Wolfgang M. Schmitt (Autor)
- • „Apple Wave“ Absurder Internet-Scherz: iPhone wird in der Mikrowelle geladen (abgerufen am 28.03.2021)
- • ZDF Magazin Royale vom 26. März 2021 (ab min 02:16)
Hey Sunnivah und der Mitarbeiter!
AntwortenLöschenIch hab viele Gedanken dazu, das würde aber glaub ich den Rahmen hier sprengen. Vieles sehe ich ähnlich wie du, manches ein bisschen anders.
Nur ein Punkt, den ich herausgreifen möchte: Ich finde den Bezug zu klassischen Printmedien schwierig. Früher haben sich die Teenie-Mädels ihre Kaufenpfehlungen aus der Mädchen, Bravo und Co. geholt, wo redaktioneller Inhalt auch nicht immer deutlich von Werbeinhalten abgegrenzt wurde. Es ist einfach wichtig, als Eltern seine Kinder kritisch zu begleiten, was Konsumentscheidungen angeht. Das ist heute bestimmt wichtiger als früher, einfach auch wegen diesem Beste-Freundin-Aspekt, den viele Influenzerinnen ja kultivieren. Aber ganz grundlegend waren Jugendliche früher (=späte 90er als ich solche Hefte gelesen habe) nicht zwangsläufig gefeit vor versteckter Werbung.
Ich glaube aber, dass das heute viel früher beginnt. Ich arbeite mit Kindern und schon Achtjährige schauen Youtubevideos oder haben Tiktok oder Instagram. Da müssen Lehrpläne einfach auch nachbessern, weil viele Eltern sich der Gefahren selbst nicht bewusst sind.
Ironische Randnotiz: Lustig auch, dass Schmitt sein Buch über Youtube promoted, ist er jetzt auch Influenzer? :D
Liebe Grüße!
"Ich finde den Bezug zu klassischen Printmedien schwierig. Früher haben sich die Teenie-Mädels ihre Kaufenpfehlungen aus der Mädchen, Bravo und Co. geholt, wo redaktioneller Inhalt auch nicht immer deutlich von Werbeinhalten abgegrenzt wurde".
LöschenAbsolut! Und auch da war es wichtig, sich darüber bewußt zu sein.. nur war das noch besser reguliert als heute im Wildwest-Internet, wo jede ICH-AG machen kann, was sie will. Meinungsmachen politischer Art hätte sich die Girl so nicht getraut (Stichwort: Kampagne zu Artikel blah irgendwas im EU-Parlament vor einiger Zeit, die durch alle social Media Plattformen ging und uninformierter nicht sein konnte, aber die Jugendlichen nicht nur instrumentalisiert, sondern teilweise zu kriminellen Handlungen angestiftet hat.. Drohbriefe an Abgeordnete und so). Außerdem steht hinter jeder Redaktion jemand, der dem Pressekodex zugestimmt hat. Influencer-Marketing hat nichts von alledem, keine Regularien, keine Ausbildung, die alle neuen Werbetreibenden durchlaufen haben und sowas von gar kein Unrechtsempfinden, was geht und was nicht. Ich sage nicht, daß die klassischen Printmedien immer alles richtig gemacht haben, ich sage: reguliert war es besser, und schlimmer geht zur Zeit immer. Deswegen darf das aber nicht unter dem Radar fliegen. Denn die Anstiftung zum Kaufen ist ja das eine, dann sitzen die Mädels halt auf zu viel Lipgloss und früher auf zu viel Klamotten, die sie in der Bravo gesehen haben.. aber die Influencer schleichen sich auf noch viel mehr Weisen ihre Wege ins Herz und Leben der leicht Beeinflussbaren, und damit meine ich nicht nur Minderjährige.
Und ja, die beiden Autoren sind selbst crossover-Content-Creator: sie wurden als Wirtschaftspodcaster vorgestellt im Spiegel-Interview. Aber ich bin da ja absolut 'Inhalt schlägt Form'. Wenn Influencer tolle Angebote und Inhalte mit Mehrwert brächten, würde ich sie als erste loben und ihnen was abkaufen. Mich stört allgemein, daß das meiste, was da verscherbelt werden soll, Schrott ist UND noch schlecht angepriesen wird. Aber wer ein gutes Buch hat und es auf Insta verkaufen will: go on. Ich mag andersherum aber auch keine schlecht gemachten Inhalte auf ÖRR Sendern sehen.. da bin ich für Gleichberechtigung im Anspruchsdenken.